Die Nutzungskontrollen und ihre Folgen

Zur Ausgangslage:

Im Juli 2023 verkündete Kreisbaudirektor Burkhard Jansen auf einer Veranstaltung den Vertretern der amtsangehörigen Gemeinden der Insel Sylt und einigen Zuhörern zusammengefasst folgende Botschaft:

Von rund 11.000 vorhandenen Ferienwohnungen auf Sylt sind nach seiner Auffassung vermutlich über 3.000 Einheiten nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt.
Das Kreisbauamt wird jetzt flächendeckende Kontrollen vornehmen und baurechtliche Verfehlungen ahnden. Im Falle, dass in der Baugenehmigung nicht explizit „Ferienwohnung“ oder „Ferienhaus“ steht, diese aber an Feriengäste vermietet wird, erfolgt eine Nutzungsuntersagung. Die Vermietung ist innerhalb von 14 Tagen einzustellen und die Gäste sind nach Hause zu schicken.
Entgegenkommenderweise könnte man die Nutzungsuntersagung noch um wenige Monate nach hinten verschieben, wenn keine weiteren Baurechtsmängel über die Genehmigungsform hinaus bestehen und der Eigentümer seinerseits auf Rechtsmittel verzichtet. Danach ist die Vermietung einzustellen.

Handout Nutzungskontrollen

FAQs zum Thema

Ja, die Nutzungskontrollen des Kreises Nordfriesland betreffen die gesamte Insel Sylt sowie auch alle anderen Tourismusdestinationen im Kreis Nordfriesland und darüber hinaus. 

In den letzten 60 Jahren haben sich in Urlaubsdestinationen die Zimmervermietungen und der Pensionsbetriebe bedarfsorientiert weiterentwickelt hin zu Ferienwohnungen, die heute mit rd. 75% Marktanteil im Tourismus dominieren.
Diese Entwicklung fand in der Baugesetzgebung jedoch über Jahrzehnte hin keine Berücksichtigung. Es wurden keine Unterscheidungen gemacht zwischen den Nutzungsformen Dauerwohnen, Zweitwohnen und Ferienvermietung.
Die Einheiten wurden als „Wohnung“ oder „Wohnhaus“ genehmigt und dann je nach Bedarf genutzt. Erst später haben Gerichtsurteile festgelegt, dass eine Ferienvermietung nicht unter dem Begriff „Wohnen“ zu sehen ist und damit nur in speziell dafür ausgewiesenen Baugebieten wie z.B. Sondergebieten oder Mischgebieten zulässig ist.
Durch diese Urteile sind nahezu alle bis dahin vermieteten Einheiten in die Illegalität gerutscht, denn diese Rechtsprechung galt rückwirkend für alle Altbestände, für auswärtige Eigentümer und Sylter Vermieter gleichermaßen.
Spätestens an dieser Stelle wäre es dringend notwendig gewesen, für unsere ausschließlich vom Tourismus lebende Destination nach baurechtlichen Lösungsmöglichkeiten für die Altbestände zu suchen, in eine aktive Rolle zur Aufklärung und strategischen Lenkung der Strukturen überzugehen.

Zunächst einmal sollten Sie prüfen, welche Nutzungsform(en) in ihrer Baugenehmigung enthalten sind. Nutzen Sie Ihre Immobilie oder Teile davon für die Feriengastvermietung, muss dies in der Baugenehmigung ausgewiesen sein (heißt, die für die Feriengastvermietung genutzte Einheit muss auch explizit als Ferienhaus oder Ferienwohnung in Ihrer Baugenehmigung betitelt sein).

Eine als „Wohnung“ oder „Wohnhaus“ genehmigte Einheit darf nach heutigem Stand nur als Erst- oder Zweitwohnsitz genutzt werden. Eine Vermietung an Feriengäste schließt diese Form der Baugenehmigung jedoch nicht mit ein.

Eine nicht durch eine Baugenehmigung gedeckte Ferienvermietung kann unter Umständen* über eine Nutzungsgenehmigung (Nutzungsänderung) im Nachgang legalisiert werden, wenn

  • der entsprechende B-Plan für das Gebiet, in dem sich die Immobilie befindet, Touristenbeherbergung erlaubt
  • und mit dem Nutzungsänderungsantrag die baurechtlichen Vorgaben der jeweiligen B-Pläne oder Ortsgestaltungssatzungen erfüllt werden können


*Unsere Empfehlungen zusammenfassend:

  • Prüfen Sie Ihre Baugenehmigung
  • Stimmt die Baugenehmigung mit der tatsächlichen Bebauung überein? (Auch evtl. in der Folge vorgenommene baugenehmigungspflichtige Um- oder Anbauten zählen hierzu!)
  • Stimmt die genehmigte Nutzung mit der tatsächlichen Nutzung überein? (Wird eine Wohnung als Ferienwohnung genutzt oder umgekehrt? Dieses gilt auch für Kellergeschosse und Spitzböden, die in der Regel als Abstellräume genehmigt sind)
  • Stellen Sie diesbezüglich Differenzen fest oder sind Sie sich unsicher, empfehlen wir im Bedarfsfall den Rat von Fachleuten (z.B. Architekten) einzuholen. Diese können Ihnen eine Orientierung zur Beurteilung Ihrer Situation geben und ggf. Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.

Nein, die Kontrollen betreffen alle Nutzungsformen und nicht nur die „illegale“ Ferienvermietung. Parallel überprüft der Kreis NF auch die Nutzung von Kellergeschossen und Spitzböden sowie alle baulichen Veränderungen, die am oder im Gebäude vorgenommen wurden. Laut dem Kreis NF erfolgen diese Kontrollen rechtskonform unter Berücksichtigung des Gleichheitsprinzips B-planweise bzw. straßenzugweise mit dem Ziel, innerhalb von 10 – 12 Jahren alles flächendeckend überprüft zu haben.

Der große Themenkomplex „Nutzung von Kellergeschossen und Spitzböden zu Wohnzwecken“ betrifft den Großteil aller Gebäude der Insel Sylt, unabhängig davon, ob diese als Wohnung, Dauerwohnung oder Ferienwohnung genutzt werden.

Schätzungsweise würden diese Kontrollen etwa 70 Prozent des insularen Vermietungsbestandes und darüber hinaus auch sehr viele einheimische Eigentümer und Mieter, die Keller und Spitzböden zu Wohnzwecken nutzen, ebenfalls betroffen sein.

Gleiches gilt für die vielen Personalhäuser, die im Regelfall alle als Ein(!)-Familien-Wohnhäuser genehmigt wurden.

In einem Gespräch mit dem Landrat am 11. Oktober 2024 haben die fünf Inselgemeinden zugesagt, bis Ende März 2025 ihre sämtlichen Bebauungspläne und unbeplanten Innenbereiche daraufhin zu überprüfen, ob die bestehenden Regelungen zu Ferienwohnungen aus kommunalpolitischer Perspektive ausreichend erscheinen. Das Ergebnis teilen sie dem Kreis mit.

Der Kreis wird die in einigen Gebieten bereits begonnenen Kontrollen fortführen, bis Ende März aber keine weiteren Gebiete hinzunehmen. Die Überprüfung von Nutzungen im Zusammenhang mit der unmittelbaren Gefahrenabwehr, also insbesondere zum Thema Brandschutz, duldet jedoch keinen Aufschub und wird weiterhin durchgeführt.

Die fünf Gemeinden werden bis Ende März 2025 zudem eine Prioritätenliste festlegen. Sie wird Aussagen dazu enthalten, welche B-Pläne und unbeplanten Innenbereiche die Gemeinden bearbeiten wollen und welche nicht. Zudem stellen die Gemeinden einen Zeitplan auf, aus dem hervorgeht, in welchem Jahr der jeweilige Planaufstellungsbeschluss gefasst werden soll und bis wann die Planung voraussichtlich abgeschlossen sein wird. Diese Arbeiten sollen sich gleichmäßig über die nächsten zehn Jahre verteilen und bis Ende 2034 abgeschlossen sein.

Das lässt Vermieter in den neu zu überplanenden Gebieten hoffen, dass ihre derzeit noch unzulässigen Ferienwohnungen doch noch legalisiert werden können. Dazu braucht es jedoch den entsprechenden Planungswillen der Gemeinde und die Erfüllung der in der Landesbauordnung festgeschriebenen baulichen Voraussetzungen.

Der Landrat Florian Lorenzen machte in einem zurückliegenden Pressestatement aber auch klar, dass es nicht gelingen wird, für alle gewachsenen Strukturen Lösungen zu finden.

Offen bleibt weiterhin, ob es möglicherweise noch eine Stichtagsregelung für nicht genehmigte Ferienwohnungen vor allem in älteren Gebäuden geben wird, die eine Duldung ermöglicht. Diese wird jedoch, so ließ der Kreis NF bereits verlauten, außerhalb der letzten 45 Jahre liegen.

1. Wir brauchen zunächst eine klare Darstellung in der Differenzierung der Begrifflichkeiten Wohnen, Ferienvermietung, Zweitwohnen und Dauerwohnen. Die unsachgemäße Verwendung in Darstellungen führen unverändert zu falschen Annahmen und Schlussfolgerungen.

2. Klärung wie viel Betroffenheiten gibt es tatsächlich (30, 50, 85%)? Wir brauchen eine solide und verlässliche Datenbasis!

3. Wie groß wird der anzunehmende wirtschaftliche Schaden für die Kommunen, den Kreis und das Land sein, wenn große Teile des Ferienwohnungsbestandes zukünftig wegfielen?

4. Suchen nach Lösungsalternativen für eine neue „Vision Sylt“ unter Einbeziehung möglichst vieler kompetenter Fachleute. Hierfür ist die Zeit erforderlich, die es braucht, um gute Spielregeln zu erstellen.

5. Prüfung, ob die angedachten neuen Festsetzungen in den B-Plänen wirklich zielführend sind.

6. In welchem Umfang wären die folgenden wirtschaftlichen Schäden mit rein planerischen Festsetzungen in den B-Plänen zu verringern und welche Maßnahmen könnten darüber hinaus getroffen werden, um die betroffenen Einheiten zu legalisieren? Vielfach engen die auf Sylt geltenden Ortsgestaltungssatzungen die nach der Landesbauordnung eigentlich zulässigen Kellerraum- und Spitzbodennutzungen unnötig ein! Bei der Frage, wie mit dem gewachsenen Bestand umgegangen soll, muss daher auch über eine Anpassung in diesem Bereich nachgedacht werden.
Gerade die Spitzboden- und Kellerraumnutzung ist auch ein Thema für die Sylterinnen und Sylter bzw. den Dauerwohnraum.

7. Wieviel Dauerwohnraum wird aktuell und perspektivisch benötigt und welche Möglichkeiten haben wir, diesen auch bezahlbar zu gestalten? Es braucht auch in dem Bereich eine verlässliche Standortbestimmung und eine darauf abgestellte Planung.

8. Wir brauchen dringend einen offenen, unvoreingenommenen, inselweiten Dialog! Insbesondere für die ehrenamtlich tätigen politischen Vertreterinnen und Vertreter wird eine solide Entscheidungsbasis notwendig sein, um die Weichen richtig zu stellen. Es gilt Wechselwirkungen abzuwägen und Regelungen zu verabschieden, die in der Praxis auch funktionieren. Hierzu braucht es aus unserer Sicht auch eine Einbindung der Wirtschaft.

9. Es fehlt nach wie vor eine verbindliche Vereinbarung mit dem Kreis NF: Zwar verschafft die jetzige Übereinkunft der Gemeinden mit dem Kreis eine geordnetere und vor allem kooperative Abwicklung, Planungssicherheit gibt es für die zahlreichen betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer hingegen immer noch nicht.

Nein! Es ist kein alleiniges Sylter Problem! Die SHZ schrieb diesem Thema in einem 2016 verfassten Artikel höchste Bedeutung für das Land Schleswig Holstein zu: „Schätzungsweise 192.000 Gästebetten allein in Schleswig-Holstein waren somit nicht mehr durch die Baugenehmigung gedeckt“ und damit illegal geworden.

Laut einer Studie des Deutschen Ferienhausverbandes gibt es bundesweit rund 455.000 Ferienwohnungen. Ein Vermietungsexperte ging in einem Spiegel-Interview davon aus, dass aufgrund der Urteile bundesweit ca. 80% der Ferienwohnungen nicht mehr durch die Baugenehmigung gedeckt sein dürften.
In Bezug auf die Nutzung nicht zu Wohnzwecken genehmigter Kellergeschosse und Spitzböden nimmt Sylt sicherlich eine ganz besondere Rolle ein und es kann davon ausgegangen werden, dass das diesbezügliche Wissen allgemein bekannt ist.

Die Landesbauordnung lässt unter bestimmten Voraussetzungen die Wohnnutzung von Kellergeschossen und Spitzböden durchaus zu. So stellt sich die Frage, ob die in den Ortsgestaltungssatzungen und B-Plänen selbst auferlegten Beschränkungen nicht aufgehoben werden sollten, um die ohnehin bereits vorhandenen Bestände im Rahmen der baurechtlichen Zulässigkeiten in die Legalität zu überführen.

Dieses würde auch sehr vielen Sylter Familien zugute kommen und deckt sich hierin mit den bundesweiten Bestrebungen, durch den Ausbau der Dachgeschosse Wohnraum zu generieren.

Die Folgen sind unabsehbar!
Der Kreis Nordfriesland hat angekündigt, neben den illegal gewordenen Einheiten auch die Nutzung von Kellergeschossen und Spitzböden sowie auch die nicht durch Baugenehmigung gedeckten baulichen Veränderungen zu kontrollieren.

Aufgrund des Gleichheitsprinzips gilt die Betroffenheit für auswärtige und Sylter Eigentümer und Mieter gleichermaßen. Insgesamt sprechen wir hier laut Einschätzung des Sylt-Tourismus-Verbandes von schätzungsweise über 70% des insularen Vermietungsbestandes. Darüber hinaus werden auch eine Vielzahl der dauerbewohnten Einheiten betroffen sein! Die allermeisten, von Syltern bewohnten Hausscheiben und Haushälften haben im Erdgeschoss eine Wohn-Nutzfläche zwischen 38 und 48 Quadratmetern. Im Obergeschoss ist damit Platz für max. 2 Schlafzimmer und ein Bad. Spätestens mit dem 2. Kind wandern die Eigentümer, Erbbau-Pächter oder Mieter dann in die Illegalität, also in den Spitzboden oder den Keller. Das ist auf Sylt gelebte Realität seit Jahrzehnten.

Der Verein Sylter Unternehmer ist mit rund 580 Mitgliedern einer der stärksten Wirtschaftsverbände Norddeutschlands. Er schätzt realistisch ein, dass bei einem Wegfall von nur 30% des Vermietungsbestandes jedes 2. Unternehmen im Handel, Dienstleistung und Gastronomie aufgrund der dünnen Kapitaldecken von der Schließung bedroht wäre. Einher gehen damit der Verlust an Arbeitsplätzen und Abwanderung von Mitarbeitenden und deren Familien. Steuerberater, die einen guten Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse haben, bestätigen diese Einschätzung.

Eine der wesentlichen Grundlagen der Entwicklung eines Standortes ist eine funktionierende Wirtschaft. Sie schafft und sichert Arbeitsplätze und generiert Steuerleistungen, die u.a. für das Gemeinwohl wie den sozialen Wohnungsbau, Kitas und Straßenausbau investiert werden können. Politik und Verwaltung sind für die Schaffung und notwendige Anpassungen der Rahmenbedingungen verantwortlich und entscheiden darüber, wo und wie die erwirtschafteten Mittel investiert werden. Sie haben darüber hinaus jedoch noch eine Vielzahl anderer Aufgaben zu bewältigen, wovon sich die meisten jedoch nur umsetzen lassen, wenn auch die Einnahmeseite stimmt.

Die Insel Sylt ist der Jobmotor für Nordfriesland, was allein auch die hohe Anzahl an einpendelnden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern belegt (nach Statistik der Agentur für Arbeit waren dies zum Stichtag 30.06.2022 rund 5.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte). Ein wirtschaftlicher Einbruch auf der Insel zieht somit auch deutliche Folgen für das benachbarte Festland nach sich (Auftragsrückgänge für Festlandfirmen, Bedrohung von Arbeitsplätzen etc.).

Allein für 2023 lieferte Sylt ca. 30 Mio. weniger an Grunderwerbsteuer an das Land SH ab. Dieses ist nur ein Bruchteil dessen, was an wirtschaftlichem Schaden entsteht, wenn die Situation keine gute Lösung findet. Dieses Szenario droht nicht nur Sylt, sondern allen touristischen Hotspots im Kreisgebiet wie Föhr, Amrum, St.-Peter Ording und wird sich auf weitere Kreise ausdehnen, da die Rechtslage überall gleich ist.

Es greifen sehr viele Zahnräder ineinander, um alles am Laufen zu halten. Und so hat sich die Insel über Jahrzehnte entwickelt, wurde hierdurch Marke des Jahrhunderts.

Dauerwohnraum war schon immer knapp und teuer auf der Insel, da allein die Baukosten mind. 25 % höher als auf dem benachbarten Festland sind. Es gibt derzeit fast 20.000 Baugesetze und Verordnungen und damit 4x so viele wie noch im Jahr 1990. Dieses und eine permanent steigende Lohnentwicklung sorgen für immer weitere Verteuerungen im Bau. Man denke nur an die Energieeinsparungs- und Heizungsgesetze und die weiteren energetischen Belastungen, die bereits absehbar sind. All das macht den Bau oder den Kauf von Immobilien für den Normalverdiener nahezu unerschwinglich. Das gilt jedoch für ganz Deutschland und ist kein alleiniges Sylter Problem. Hier tritt es jedoch durch die Insellage verstärkt auf.

Durch den Erwerb von Bundesliegenschaften, von Immobilien der Neuen Heimat und den Bauaktivitäten des Kommunalen Liegenschaftsmanagements (KLM) wurden gute Lösungen gefunden, um den überwiegend im Dienstleistungsbereich und Einzelhandel beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Tatsächlich hat das KLM neben erheblichen Erneuerungsinvestitionen in den letzten 10 Jahren 345 zusätzliche Einheiten gebaut. Weitere Großbauprojekte – sowohl von der KLM als auch von anderen Wohnungsbauträgern – stehen noch an oder sind kurz vor der Fertigstellung. Es könnte sich also eine Entspannung auf dem insularen Wohnungsmarkt abzeichnen. Auch der Verein Sylter Unternehmer hat in eigener Anstrengung in den 90’er Jahren insgesamt rund 100 Wohnungen für auf Sylt Beschäftigte geschaffen. Gerne hätten wir dieses Engagement in den Folgejahren fortgeschrieben, scheiterten jedoch an der politischen Haltung, Wohnraum nur aus kommunaler Hand zu schaffen.

Eine gute Nachricht ist, dass die Sylter Bevölkerung – wenn man den wenigen statistischen Zahlen Glauben schenken kann (s. Zensus 2022) –  in den letzten Jahren insgesamt konstant geblieben, teilweise sogar gestiegen ist.

Die Frage, wieviel Dauerwohnraum aktuell und perspektivisch benötigt wird, kann mangels konkreter Daten nicht abschließend beantwortet werden. Gefühlt war es immer zu wenig. Für die Beurteilung der Gesamtsituation brauchen wir aber klare Fakten und Daten – dies auch, um die Wohnraumentwicklung genau auf dieses Szenario abstellen zu können.

Allein die Definition von „bezahlbarem Wohnraum“ dürfte bereits eine Vielzahl an Interpretationen auslösen und ist natürlich immer an die eigenen finanziellen Möglichkeiten gekoppelt. Wie überall in Deutschland ist auch auf Sylt in diesem Bereich noch Luft nach oben und es stellt sich die Frage, wie man diesen erreichen kann.

Das KLM benötigt für frei finanzierte Einheiten bereits 18,50 € Kaltmiete um kostendeckend zu bauen – und das auf eigenem Grund und Boden!

Gerade wurde beschlossen von kommunaler Seite die Mieten zu subventionieren, um sie bezahlbar zu halten. Also selbst für die Kommune eine echte Herausforderung.

Im privaten Bereich sieht die Sache hingegen noch schwieriger aus: Vielfach ist die Finanzierung des Eigenheims nur über die Ferienvermietung darstellbar. Die mit dem Immobilienmarkt auf Sylt in Verbindung stehenden Erwerbs- bzw. Finanzierungskosten machen es nahezu unmöglich, Mietpreiskonditionen auf dem Niveau des kommunalen Wohnungsbaus zu gestalten. Hinzu kommen immer wieder neue restriktive Gesetzesvorgaben und Bestimmungen (wie etwa beim Thema Heizungstechnik,  Energie und Dämmung), die noch einmal auf Immobilienbesitzer zukommen und kompensiert werden müssen.
Diese Situation ist jedoch vergleichbar mit anderen Zentren und Tourismusregionen, Sylt ist somit beileibe kein Einzelfall.

Grundsätzlich ja. Um die Möglichkeiten zur Bildung von Immobilieneigentum (im Übrigen nicht nur auf Sylt) realistisch einschätzen zu können, muss man sich allerdings folgende Rahmenbedingungen exemplarisch bewusst machen:

In Schleswig-Holstein betrug das durchschnittliche Nettoeinkommen in 2023 € 24.384,– . Bei einem 2-Personenhaushalt wären dies 48.768,–.

Alle Ratgeber warnen davor, nicht mehr als 45% des Einkommens für Zinsen, Tilgung und Nebenkosten auszugeben. Gleiches gilt für Miete. Das wären bei unserem Beispiel rd. 22.000,– € p.a. / = 1.828,– mtl.

Überschlägige Nebenkosten (in Euro):
bei 35m² -Whg 200,– bis 300,–
bei 60m² -Whg 300,– bis 400,–
bei Hausteil/ DHH hartgedeckt 500,– bis 650,–
bei DHH Reetdach 600,– bis 850,–

Finanzierungskosten (z.B.  3% Zinsen + 2 % Tilgung ):

bei Darlehn von

200.000,–: = 10.000,– p.a. / = 833,– mtl.
300.000,–: = 15.000,– p.a . / = 1.250,– mtl.
500.000,–: = 25.000,– p.a. / = 2.083,– mtl.
750.000,–: = 37.500,– p.a. / = 3.125,– mtl.
1.000.000,–: = 50.000,–p.a. / = 4.167,– mtl.

Darüber hinaus fordern die Banken in der Regel einen Eigenkapitalanteil von 20 % des Kaufpreises und es fallen Kaufnebenkosten von weiteren ca. 12% des Kaufpreises an.

Unser Beispiel-Pärchen könnte sich als Doppelverdiener aktuell einen Kaufpreis von ca. 450.000,– € leisten, wenn sie Eigenmittel in Höhe von 144.000,– einbringen können ( 90.000,– EK-Anteil und 54.000,– Kaufnebenkosten). Die Belastung für Zins + Tilgung beliefe sich dann auf mtl. 1.500,– € zuzüglich ca. 328,– an Nebenkosten.
Auf Sylt wäre heute unter diesen Gegebenheiten der Erwerb einer ca. 60 m² großen Eigentumswohnung denkbar, dieses entspräche einem m²-Preis von rd. 7.500,– €.

Es stellen sich jedoch mehrere Fragen:

– wie groß ist die Gruppe derer, die in der Lage sind, die erforderlichen Eigenmittel von € 144.000,– mitzubringen?
– Was passiert, wenn einer der Verdiener ausfällt? ( z.B. Krankheit, Arbeitsplatzverlust )
– Was passiert, wenn Kinder hinzukommen?
– Kann ich die Belastung noch tragen, wenn am Ende der Zinsfestschreibung die Zinsen höher sind, denn es sind nach 10 Jahren noch ca. 270.000,– = 75 % Restschuld vorhanden.

Aufgrund der hohen Erstehungskosten von Immobilien und damit auch hohen Kaufpreisen, der hohen Eigenkapitalerfordernis und der Finanzierungsbelastung ist ein Bau oder Erwerb von freien Immobilien nicht nur auf Sylt in der Regel nur dann realisierbar, wenn außergewöhnlich gut verdient wird oder ein guter Vermögenshintergrund (Eltern) gegeben ist.

Daher sollte die Festschreibung von Dauerwohnraum in den Bebauungsplänen gut überlegt werden. Was bringt es, überall Dauerwohnraum festzuschreiben, wenn es für die hier lebenden Bevölkerung aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeit überwiegend nicht möglich sein wird, diesen zu finanzieren oder die hierfür erforderlichen Mieten zu erbringen.

Zunächst einmal haben veränderte Festschreibungen in neuen B-Plänen keinen Einfluss auf die Bestandsimmobilien, sofern sie genehmigungskonform genutzt werden. Sie genießen Bestandsschutz.

Anders ist es bei Wohneinheiten, die als Wohnung oder Wohnhaus genehmigt, dann aber an Feriengäste vermietet wurden. Wie bekannt wurde, haben Gerichtsurteile verfügt, dass die Baugenehmigung eine Ferienvermietung nicht mit einschließt. Möchte der Eigentümer diese Einheiten weiter an Feriengäste vermieten, wäre ein Nutzungsänderungsantrag zu stellen. Dieser würde jedoch in den allermeisten Fällen abgelehnt werden, da der Antrag die Festsetzungen des jeweiligen B-Plan zu erfüllen hat. In einer einzelnen Wohnung, einer Hausscheibe, einer Doppelhaushälfte oder einem kleinen Einzelhaus kann nicht zusätzlich 70 m² oder 50% der Fläche als Dauerwohnraum ausgewiesen werden.

In größeren Wohnhäusern, in denen ein Eigentümer Dauerwohnen und Ferienvermietung unter einem Dach vereint, könnte dieses genehmigt werden, wenn alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind. Schätzungsweise betrifft dieses 25-30% des Vermietungsbestandes und ist in Sylter Hand. Der weitaus größere Teil der Einheiten sind Solitäre, einzelne Wohnungen in Eigentümergemeinschaften mit jeweils einzelnen Eigentümern. Darunter fallen auch nahezu alle Appartementbauten Westerlands aus den 60-er bis 90-er Jahren, Hausteile und Doppelhaushälften und kleine Häuser. Die Inseldörfer wären zum Teil bis zu 100% betroffen. Das heißt, dass nach aktuellem Kenntnisstand schätzungsweise 70-75 % der betroffenen, derzeit in der Ferienvermietung befindlichen Bestandsimmobilien bei einer Festschreibung von Dauerwohnraum in den B-Plänen nicht durch einen Nutzungsänderungsantrag in die Legalität überführt werden könnten.

Der Weg für den Erhalt der Wirtschaftskraft und damit aller insularen Entwicklungen wäre verbaut mit absehbar negativen Auswirkungen. Die generelle Festschreibung von Dauerwohnen in den B-Plänen ist somit kein Allheilmittel zur Sicherung von Dauerwohnraum. Dieses wird transparent, wenn man die finanziellen Machbarkeiten der insularen Bevölkerung dagegen stellt. Da neue Bebauungspläne nicht einfach wieder geändert werden können, gilt es diesen wohl wichtigsten Punkt der künftigen Neuausrichtung gründlich zu überprüfen. Verlieren wir hierdurch wesentliche Altbestände aus der Ferienvermietung gerät das „Modell Sylt“ gänzlich aus den Fugen.

Jeder unternehmerisch Tätige kann sehr einfach errechnen, was es für seinen Betrieb bedeuten würde, mit nur 30% weniger Umsatz leben zu müssen. Die Folgen wären Mitarbeiterabbau bis hin zur Schließung. Gleiches gilt für das Gewerbesteueraufkommen für die Gemeinde. 30% weniger bedeutet auch 30% weniger bei den Ausgaben für alle Bereiche.

Die Betroffenheit liegt jedoch deutlich über 30% ! Das muss das muss jedem Entscheider klar und bewusst sein.

Daher der dringende Appell über neue Wege nachzudenken !

Die Steuereinnahmen der Gemeinden sind eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung des kommunalen Wohnungsbaus. In der Gemeinde Sylt wird dieser über das KLM abgedeckt. Das KLM baut als kommunaler Eigenbetrieb geförderten und freien Wohnungsbau. Die Gemeinde kann Grundstücke stellen oder Mieten subventionieren, und damit regulierend eingreifen, sofern die erforderlichen Mittel vorhanden sind.

Die Gewerbesteuer bildet die mit Abstand höchste Einnahmequelle für die Gemeinde Sylt und sie ist rückläufig, wie man jüngst nachlesen konnte. Noch sind 30 Mio € an Rücklagen vorhanden, 5 davon müssen bereits als Ausgleich des Haushalts 2024 einfließen. Wenn es so weitergeht oder sich weiter verschlechtert, kann man sich leicht ausrechnen, wann die Reserven aufgebraucht sind. Eine weitere Destabilisierung der wirtschaftlichen Situation auf der Insel – wie sie durch den Wegfall großer Teile des derzeitigen Ferienwohnungsbestandes sicher einreten würde- wäre fatal. Dies muss bei allen nun folgenden Lenkungs- und Entscheidungsprozessen sorgsam bedacht und abgewogen werden. Zumal viele der Insel-Gemeinden auch über den  Wohnungsbau hinaus vor dringend notwendigen Investitionen (z.B. auch in die Infrastruktur) stehen. 

Aus der Praxis: Die Entscheidungsgrundlage eines auswärtigen Kaufinteressenten ist in 99% der Kauffälle (zumindest perspektivisch) mit einem Anteil eigener Nutzung verbunden. Als reine Kapitalanlage gibt es – von der wohl einmaligen Ausnahmesituation der Negativverzinsung abgesehen –  aufgrund der hohen Nebenkosten deutlich bessere Anlagealternativen als eine teure Immobilie auf Sylt.

Die betroffenen Einheiten würden in den Eigennutz wechseln oder verkauft werden an jemanden, der nicht vermietet. In beiden Fällen würden sie fortan keinen Beitrag mehr für die Infrastruktur leisten. Das kann nicht das Ziel sein.

Für die Sylter Immobilieneigentümer, die Ferienwohnraum vermieten, würde ein solcher Schritt ebenfalls schmerzhaft sein. Der Wegfall der Ferienvermietung führt zu großen Einschnitten auf der Einkommensseite und stellt damit die Finanzierung des Eigentums in Frage.

Die geltenden Mieterschutzgesetze werden viele Immobilieneigentümer davon abhalten, ihre Objekte in die Dauervermietung zu geben. Darüber hinaus sind viele Objekte aufgrund ihres Zuschnitts für das Dauerwohnen ungeeignet.

Nutzungsuntersagungen führen – so ist zu befürchten – zum Abbau von Arbeitsplätzen, jedoch zu keinem weiteren Wohnraumangebot für Einheimische.

Wenn die Bestandsimmobilie nicht für die Feriengastvermeitung legalisiert werden kann, wird das betroffene Objekt aus der Ferienvermietung genommen und fortan nur eigengenutzt werden, sofern es sich der Eigentümer leisten kann.

Diejenigen die es sich nicht leisten können oder wollen werden ihre Objekte an Personen verkaufen, die auch nur Eigennutzen werden. Der wirtschaftliche Nutzen für die Insel entfällt damit nahezu komplett.

Die einheimischen Immobilienbesitzer und deren Erben werden die größten Verlierer dieser Entwicklung sein.

Die galoppierende Bürokratisierung macht es heute nahezu unmöglich, alle Gesetze und Verordnungen praktisch umzusetzen. Sie ist eine der größten Schwächen unseres Systems.

Die wachsende Komplexität macht es aber auch dem Ehrenamt und somit den gewählten politischen Vertretern immer schwerer, sich in diesem System und in den unterschiedlichen Sachverhalten zurechtzufinden. Sie sind es aber, von denen gute Entscheidungen erwartet werden – dies natürlich auch mit Unterstützung und fachlicher Kompetenz der Verwaltung. Doch keiner ist zugleich Spezialist für Finanzen, Steuern, Planungsrecht, Gästevermietung und vieles mehr. Daher ist ein intensiver Austausch zwischen Politik, Wirtschaft und insularen Fachleuten erforderlich, um ein grundlegendes Gesamtbild zu erhalten.

Wir würden uns genau diesen Dialog wünschen! Frei von Vorurteilen und offen im Miteinander! Denn es steht leider viel auf dem Spiel, viele Wechselwirkungen sind zu erkennen und abzuwägen.

Gleiches gilt für den Kreis NF und die dortigen Verantwortlichen: Gibt es eine aktive Unterstützung und Begleitung – über die bloßen Kontrollen hinaus – die uns hilft, auf den für die Insel besten Weg und zu guten Lösungen zu kommen? Wir sitzen alle in einem Boot. Schließlich bedarf es zur Veränderung einer über 40 Jahre – auch unter dem Mitwissen der Behörden – gewachsenen Entwicklung vor allem auch der gebotenen Zeit für die Gemeinden, eben diese guten Lösungen zu entwickeln. Zwar geben die jüngsten Annäherungen zwischen Kreis und Kommunen Anlass zur Hoffnung, aber es gibt nach wie vor viele offene Punkte und vor allem keine Planungssicherheit für die Immobilienbesitzer – ob Einheimische oder Auswärtige.

Eins darf auf keinen Fall passieren: Dass das vom Kreisbaudirektor Burkhard Jansen in seinem Vortrag am 03. Juli 2023 eingepreiste Denunziantentum („…und den Rest, meine Damen und Herren, regeln die Nachbarn!“) auf der Insel Einzug hält und fortan Nachbarstreitigkeiten  über das Baurecht geregelt werden. In einer solchen Gesellschaft möchte wohl niemand leben – ob auf Sylt oder anderswo.

Es kann gelingen. Doch die Lösung ist so einfach wie kompliziert zugleich:

Grundvoraussetzung für ein gutes Gelingen ist die allseitige Akzeptanz, dass es nicht DEN EINEN Schuldigen in dieser Entwicklung gibt. Es muss eine klare und transparente Faktenlage anhand konkreter Zahlen und Daten erarbeitet werden. Dann müssen klare Ziele vereinbart werden und kluge Köpfe müssen intelligente und rechtskonforme Lösungen finden, die Wechselwirkungen berücksichtigen und praxistauglich sind. Alles Andere wäre eine unverantwortliche Fahrt mit Vollgas gegen die Wand.

Darüber hinaus kann nur ein vertrauensvolles Zusammenwirken aller Akteure aus der Krise führen, die in einem offenen, ehrlichen und konstruktiven Dialog tragfähige Lösungen für alle erarbeiten.

Wenn es gelingt, altes Grabendenken zu überwinden, bestehen die besten Chancen, gute Spielregeln für unsere Insel zu machen. Alle müssen Willens sein, miteinander unvoreingenommen und ehrlich zu reden. DAS schafft Gemeinschaft und wir können erst dann gute Lösungen schaffen, wenn wir die Wechselwirkungen verstehen!

Und wenn bei der Verfolgung der eigenen Interessen die Interessen des Gegenübers in gleichem Maße berücksichtigt werden, wird ein guter Kompromiss herauskommen.

Damit dieses gut Gelingen kann benötigen wir Zeit!

Eigentlich ganz simpel, oder?

 

Abschließend noch ein Hinweis zu den von uns zusammengestellten FAQ’s:

Auch wir lernen in dieser sehr komplexen Thematik immer wieder hinzu, müssen die eingebrachten Argumente und Schlussfolgerungen auf die aktuellen Entwicklungen anpassen, überdenken, neu sortieren. Aber es ist das derzeit einzige Portal, welches eben genau diesen Versuch unternimmt: Zu informieren, zu sensibilisieren und Impulse für die Auseinandersetzung mit diesem Thema zu geben. Insofern erheben wir mit dieser Zusammenstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Portal wird jedoch fortwährend aktualisiert und um weitere Aspekte ergänzt werden!

Ausführliche Unterlagen

Statements aus der Sylter Wirtschaft